Titel: Erklärung der AZ-Gruppe zur Hausbesetzung an der Bruchstraße |
Die Besetzung des Hauses an der Bruchstraße hat so einiges gezeigt: 1. Osnabrück soll schöner werden: Das alte Bürgerhaus passt nicht in das Bild des „Sanierungsprojektes am Hauptbahnhof“. In der Tat bildet der neue postmoderne Klotz mit der Spielbank einen starken Kontrast zu dem Bürgerhaus im Gründerzeitstil. Na und? Gab es etwa massenweise Proteste der Bevölkerung, weil dieser Kontrast in den Augen schmerzt? Werden die BewohnerInnen dieser Stadt danach gefragt, ob sie Betonquader schöner finden, hinter denen der komplette Bahnhof verschwindet? Das alte Bürgerhaus ist tatsächlich sanierungsbedürftig. Aber nicht erst seitdem es leer steht. Noch als dieses Haus an Praxen aus dem Gesundheitsbereich vermietet war (Arzt, Psychotherapie, Ergotherapie und Krankengymnastik) war die eine Außenwand so naß, daß der Schimmelpilz sogar durch Bilder an den Wänden hindurch gewachsen ist. Gestört hat das den Vermieter zumindest nicht. Und den Abriß des Hauses jetzt aus diesem Grund als „städtebaulich zwingend“ zu bezeichnen, ist sehr fadenscheinig. Es geht um anderes. Es geht um Profit. Aber Profit lässt sich nur machen, wenn diejenigen, die das Geld haben, auch mitspielen. Und möglichen Investoren ist letztendlich ein städtebauliches Sanierungsprojekt, daß die Stadt angeblich so viel schöner machen soll, scheißegal. Das zeigt die Geschichte dieses Hauses und des Grundstücks, auf dem es steht, seit dem Auszug der Praxen sehr deutlich: Nachdem eine Hotelkette Interesse an dem Grundstück geäußert hatte, wurde von zwei Seiten schnell gehandelt. Es regte sich Protest vom Besitzer des Hotel Hohenzollern, der darauf verwies, daß zur Zeit schon nur 50-70% der Hotelbetten in Osnabrück belegt seien und daß bei einem weiteren Hotelneubau ein gnadenloser Konkurrenzkampf ausbrechen würde, der der Branche mehr schadet als nutzt. Um des eigenen lieben Geldes willen, ging der Unternehmer so weit, daß er in Privatinitiative 3 Architekturbüros beauftragte, Entwürfe für ein Dienstleistungszentrum zu entwickeln. Die Stadt zog dann bei dieser Initiative mit, änderte entsprechend den Bebauungsplan und die Firma BauBeCon kaufte am 6. September 2002 das 1220 qm große Grundstück für 800 000 Euro für die Stadt Osnabrück, um es an entsprechende Investoren weiter zu veräußern. Diese Investition ist ja wohl ziemlich in die Hose gegangen. Denn nachdem erst mal alles scheinbar nach Plan verlief, sprang ein evt. Nutzer für den zu errichtenden Dienstleistungskomplex ab. Die Firma Itebo stellte fest, daß noch mehr Büroraum in der Stadt leer steht, der für günstigere Konditionen zu haben ist und zog dort ein. Dumm gelaufen, denn jetzt gibt es keinen Nutzer und damit auch keinen Investor. Der Besitzer des Hotels Hohenzollern hat sich auch aus dem Projekt herausgezogen, schließlich hat er sein Ziel erreicht: ein Hotel wird dort nicht gebaut, der Bebauungsplan ist entsprechend geändert, so gesehen hat sich seine Investition in die Ausschreibung für die Architekturbüros gelohnt, weiterer Nutzen ist für ihn nicht zu erwarten. Trotz dieser unklaren Situation wird das Haus an der Bruchstraße jetzt abgerissen. Es passt nicht in das Bild der Bebauung rund um den Hauptbahnhof. Eine Baulücke scheint schöner zu sein. So kommen zu den Kosten des Grundstückskaufes jetzt erst einmal die Kosten für einen sehr teuren Abbruch hinzu. Für nichts und wieder nichts. Denn daß tatsächlich in absehbarer Zeit ein Investor für dieses teure Projekt gefunden wird, ist höchst unwahrscheinlich. In Osnabrück stehen schon jetzt immense Flächen an Büroraum leer, die sich nicht vermieten lassen. Schaut man z.B. aus dem Fenster des besetzten Hauses auf die öde Fassade des Neubaus mit der Spielbank, so fällt der Blick auf ein Fenster mit einem Schild: „Büroflächen zu vermieten“. Der Abriß des Hauses an der Bruchstraße ist – zumindest zum jetzigen Zeitpunkt – überflüssig. So baufällig ist das Haus nicht, daß es jeden Augenblick zusammenkracht, da müsste man ganz andere Häuser abreißen. Das Haus ist auch wirklich nicht so hässlich, daß es das Straßenbild stört. Im Gegenteil, die Erker und runden Finster und die Fassadenverzierung verleihen dem Haus einen besonderen Charme. Ganz abgesehen davon, daß dieses Haus bestens für das Projekt „Autonomes Zentrum“ geeignet wäre. Es sind genügend Räume verschiedener Größe für die verschiedenen Projekte innerhalb des Autonomen Zentrums vorhanden. Es gibt keine Wohnbevölkerung in unmittelbarer Nachbarschaft, die sich von dem Zentrumsbetrieb gestört fühlen könnte. Und es gibt eine ernsthaft arbeitende Gruppe, die das Projekt realisiert. Wenn das Haus jetzt abgerissen wird, bleibt der bittere Nachgeschmack, daß hier viel Geld für nichts ausgegeben wird. Das ist besonders zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachzuvollziehen, wenn vielen sozialen Projekten in der Stadt unter dem Vorwand der Geldknappheit die Mittel gekürzt werden, was Einsparungen einbringt, die an solche überflüssigen Geldausgaben kaum ranreichen. 2. Osnabrück braucht ein Autonomes Zentrum! Die AZ-Gruppe hat ein weiteres Mal gezeigt, daß die Einrichtung eines Autonomen Zentrums in Osnabrück ein sehr sinnvolles Projekt ist. Allen Beteiligten der Besetzung war klar, daß sie persönlich ein hohes Risiko bei einer Besetzung eingehen, was Strafanzeigen und Folgekosten angeht. Für die Sache haben sie das jedoch in Kauf genommen. Mit der Aktion sollte zum einen gezeigt werden, daß es durchaus Leerstände in Osnabrück gibt und daß bei einigem guten politischen Willen die Zurverfügungstellung eines Objektes für das Projekt möglich wäre. Zum anderen wurde es innerhalb kurzer Zeit geschafft provisorisch den Zentrumsbetrieb in Gang zu bringen. Nachdem sich die Polizei am Sonntag dazu entschieden hatte, nicht sofort zu räumen, sondern erst mal die Reaktion des Besitzers abzuwarten und nachdem dann die AZ-Gruppe am Montag mit dem Besitzer Kontakt aufgenommen hatte und sich herausstellte, daß die Besetzung zumindest bis zum Abriß geduldet würde, ging die Gruppe gleich an die Arbeit, richtete die Infrastruktur des Hauses so her, daß sie einigermaßen nutzbar ist und stellte für die ersten Tage ein Programm auf die Beine, welches dem Charakter eines Autonomen Zentrums gerecht wird. Neben Infocafe und Volxkücke, die täglich stattfinden, gab es jeden Abend Veranstaltungen und Diskussionen zu verschiedenen Themen und auch die Kultur kam durch die angebotenen Filmabende nicht zu kurz. Eine Einrichtung wurde innerhalb kurzer Zeit herbeigeschafft, dazu kamen zahlreiche Spenden von UnterstützerInnnen. Diese Spenden und auch die Reaktionen der Bevölkerung auf die Besetzung haben uns gezeigt, daß wir kein isoliertes Häuflein hier in der Stadt sind und daß viele unsere Forderung nach einem Autonomen Zentrum für berechtigt halten. Deshalb werden wir an der Forderung weiter festhalten. Das Haus an der Bruchstraße ist nicht das letzte leerstehende Objekt, welches für unter Projekt in Frage kommt. |