Newsletter vom 31.08.2005 , 08:15
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Titel: Prozeß gegen HausbesetzerInnen endet mit Einstellungen
Ca. 45 UnterstützerInnen waren am Dienstag, den 30. August gekommen, um den Prozeß gegen drei HausbesetzerInnen zu begleiten. Deshalb mußten einige von ihnen auf dem Boden sitzen und andere draußen warten. Gegen die zuvor von der Staatsanwaltschaft verhängte Strafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro für die Besetzung eines ewig leer stehenden Hauses, das für die Einrichtung eines Autonomen Zentrums Anfang diesen Jahres besetzt wurde, hatten die Betroffenen Widerspruch eingelegt. Der Richter stellte das Verfahren nach § 153 a StPO wegen Geringfügigkeit gegen eine Auflage von 50 Arbeitsstunden oder ein Geldbetrag für eine gemeinnützige Institution in Höhe von 250 EUR ein.
Dies ist nun ein entscheidender Qualitätsunterschied, da die Angeklagten nicht verurteilt wurden, sondern eine Einstellung des Verfahrens gegen Auflage erwirken konnten.
Mit diesem Prozeß ist die Reihe von Prozessen gegen HausbesetzerInnen nicht vorbei. 14 weitere Personen haben Strafbefehle wegen der Besetzung des Lutherhauses am 3. Oktober 2004 erhalten. Auch hier legten alle Beschuldigten Widerspruch ein, so daß demnächst noch weitere Prozesse folgen werden. Auch diese Prozesse werden mit öffentlicher Begleitung stattfinden. Näheres dazu folgt in einem weiteren Newsletter, wenn erste Termine bekannt sind.
Dokumentation der Prozesserklärung des Verfahrens am Dienstag, den 30. August:
Gemeinsame Prozesserklärung:
Einleitung
Wir sind hier heute von Seiten der Staatsanwaltschaft Osnabrück der Sachbeschädigung und des Hausfriedensbruchs angeklagt. Das Ziel dieser Prozesserklärung ist es, Hintergrundinformationen zu den als Straftaten titulierten Handlungen zu liefern, damit sich das Gericht einen umfassenden Eindruck von unseren Motivationen verschaffen kann. Bleibt noch zu sagen, dass wir diesen Prozess als politisch verstehen. Das heißt für uns, dass wir ihn in den gesellschaftlichen Kontext einordnen und ihn nicht nur auf individuelle Einzelheiten und Interessen reduzieren.
Innere Einstellungen und Motive:
Nun zu unseren inneren Einstellungen und Motiven.
Zuerst möchten wir nun unser Anliegen darlegen, um anschließend auf die Verhältnismäßigkeit unseres Handelns einzugehen.
Im Vordergrund steht für uns die politische Handlung der Hausbesetzung als eine Form des zivilen Ungehorsams. Dies bedeutet für uns eine kalkulierte Grenzüberschreitung zu begehen, um auf unser legitimes Anliegen aufmerksam zu machen, und durch Kommunikation, direkte Aktion und verantwortliches Handeln an der Behebung von gesellschaftlichen Missständen mitzuarbeiten.
Unser Anliegen:
Das Ziel der Hausbesetzung war und ist die Einrichtung eines Autonomen Zentrums für Osnabrück. Dies bedeutet für uns einen selbstverwalteten Raum zu schaffen, der Platz für unkommerzielle Kultur und politisches Handeln jenseits von Partei oder profitorientierten Strukturen bietet. Wir sehen dieses Zentrum als eine Art von sozialem Freiraum, in dem Menschen insbesondere Jugendliche sich ausprobieren können. Durch Einüben von Selbstverwaltung und freien Vereinbarungen sollen die Menschen in diesem Zentrum die Möglichkeit haben, sich zu verantwortlichen Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft zu entwickeln. Dies wird von den Angeklagten insbesondere vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Entwicklungen gesehen, dass immer mehr Menschen durch Kapitalismus bedingte strukturelle Probleme, wie Arbeitslosigkeit usw., von gesellschaftlichen Ressourcen ausgegrenzt werden und ihnen so die Möglichkeit einer selbstbestimmten Lebensgestaltung genommen wird. Deshalb ist es umso wichtiger, Freiräume zu schaffen, in denen Menschen gesellschaftliches Intervenieren und das gemeinschaftliche Lösen von individuellen Problemen lernen können, um fundamentalistischen Strömungen sei es religiöser, wirtschaftlicher oder autoritär-politischer Art in der Gesellschaft vorzubeugen. Zu dem lokalen Bedürfnis sei an diesem Punkt kurz auf die lange Geschichte des Kampfes für ein Autonomes Zentrum in Osnabrück verwiesen. Seit 1972 gibt es in Osnabrück das Bedürfnis nach einem Selbstverwalteten Zentrum. Diese Forderung wurde des Öfteren durch die Politik der Stadt abgeschmettert. Seit fünf Jahren besteht wieder eine Gruppe, die seitdem stetig an der Umsetzung dieser Forderung durch Öffentlichkeitsarbeit, Dialogen mit der Stadtverwaltung und Politikern usw. arbeitet. In diesen fünf Jahren gab es neben dem Bemühen auch praktische Umsetzungen der Idee. Diese Zeiten des Betriebes haben gezeigt, dass das Projekt auch unter äußerst schwierigen Umständen, wie zum Beispiel auf dem Wagenplatz am Fürstenauer Weg, funktioniert und lohnenswert ist.
Außerdem sei noch darauf hingewiesen, dass es in fast allen bundesdeutschen Städten dieser Größenordnung, aber auch in Kleinstädten erfolgreiche selbstverwaltete Jugend- und Kulturzentren, die zum Teil schon seit 30 Jahren existieren, gibt.
Die Verhältnismäßigkeit unseres Handelns:
Kommen wir nun zu der Frage der Verhältnismäßigkeit.
Den Angeklagten, also in diesem Falle uns, wird Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch vorgeworfen. Doch was steht hinter dieser Anklage? Es ist das Interesse des Hausbesitzers -in diesem Fall der treuhänderischen Aurelis GmbH-, dessen Eigentum geringfügig beschädigt wurde. Und es ist auch das Interesse des Staates, der das Verhalten von Menschen nicht duldet, wenn sie widerrechtlich in ein befriedetes Gebäude eindringen, da er ein sehr hohes Anliegen hat, Eigentum zu schützen.
Hier sei aber auch kurz darauf hingewiesen, dass Eigentum verpflichtet.
Demgegenüber steht unser Interesse und das einer nicht geringen Anzahl weiterer Menschen in Osnabrück, durch die kalkulierte Grenzüberschreitung auf die Notwendigkeit der Einrichtung eines Autonomen Zentrums aufmerksam zu machen. Es war nicht unser Ziel, andere Personen zu schädigen. Wir haben uns verhandlungsbereit gezeigt und hatten zusammen mit anderen Menschen die ernsthafte Absicht das Gebäude legal zu mieten.

Da wir diesen Punkt für sehr wichtig erachten, möchten wir noch einmal konkret auf die Verhandlungen bzw. die Kommunikation mit der Aurelis GmbH eingehen.
Bei allen Gesprächen die wir an diesem Vormittag geführt haben, spielten wir mit offenen Karten, wir erzählten sofort von der Besetzung, von der politischen Forderung und baten um Verhandlung zur Nutzung des Hauses.
Zuerst kontaktierte der Angeklagte C. M. die am Gebäude befestigte Nummer der Immobilien-Verwaltung der DB in Bremen gegen 11:02 Uhr. Von dem Gespräch aus Bremen bekamen wir die Telefonnummer von der Aurelis GmbH aus Hamburg.
Beim ersten Gespräch mit der Aurelis GmbH, war eine Frau am Apparat, die uns mitteilte das der zuständige Verantwortliche momentan nicht zu sprechen sei. Als wir diesen dann kurze Zeit später am Telefon hatten, erzählten wir ihm noch einmal unser Anliegen. Nach diesem Gespräch hatten wir ein positives Gefühl und sind davon ausgegangen, dass die Aurelis GmbH höchstwahrscheinlich zu Verhandlungen bereit wäre. Als wir dann ca. zwei Stunden später wieder bei ihm anriefen, erzählte er uns dass er die Polizei gerufen hatte. Nach diesem Telefonat haben wir dann das Haus verlassen.
Einerseits gibt es auch in Zeiten so genannter knapper Kassen genug Geld für die Einrichtung eines solchen Zentrums, wenn mensch bedenkt, wie günstig es notwendige soziale und bildungspolitische Arbeit leistet im Gegensatz zu unsozialen, teuren Prestige-Projekten, wie z.B. der Bundesgartenschau oder dem sog. „Chinapflaster“ in der Großen Straße. Außerdem gibt es einen großen Leerstand von Gebäuden in Osnabrück, die keine menschlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse befriedigen und nur verfallen und laufende Kosten produzieren. Um den politischen Druck und die Forderung nach einem Autonomen Zentrum aufrecht zu erhalten, war es notwendig, die kalkulierte Grenzüberschreitung in Form einer Hausbesetzung zu begehen.
Wir, bzw. die Gruppe für ein Autonomes Zentrum, versuchen auf unterschiedlichste Weise, die Notwendigkeit des Raumes für Selbstverwaltung in die Öffentlichkeit und in die lokale Politik zu tragen. Es wird und wurde versucht Häuser auf legale Weise anzumieten und Leerstand in Form von Listen an die Stadtverwaltung und StadtpolitikerInnen heranzutragen. Doch zeigen die Besetzungen, inklusive der jetzigen, allen Beteiligten oder auch nicht Beteiligten viel mehr, dass es nicht das Argument des fehlenden Raumes ist, sondern Wille seitens der Stadt. Alle Häuser, die in diesem Jahrtausend besetzt wurden, stehen immer noch leer oder sind abgerissen worden und liegen als unbenutzte Flächen heute noch brach (Gesmolder Straße, Kokschestraße, Lutherhaus, Bruchstraße und Hamburger Straße).

Geschädigt haben wir durch den zivilen Ungehorsam bis jetzt niemanden, im Gegenteil: In der Zeit, in der Häuser oder der Wagenplatz am Fürstenauer Weg der Selbstverwaltung zur Verfügung standen, wurde der Gesellschaft ein zusätzlicher kultureller, politischer, sozialer und unkommerzieller Raum geboten.
Des Weiteren sind wir in den Verhandlungen bei unseren Besetzungen mit den Besitzern jedes Mal auf ihre Forderungen eingegangen und haben wie zum Beispiel ein Tag zu vor in der Bruchstraße das Haus freiwillig verlassen, da sich dieser Besitzer nur bis zum 5.1.2005 auf die Nutzung eingelassen hatte.
Eine Frage der Macht:
Wer hat welche Mittel um seine Interessen durchzusetzen?
Die wenigen Chancen, die wir hatten, zu zeigen, dass ein Leben in Selbstverwaltung (ohne laufende Kosten für die Stadt) funktioniert, sind am Ende alle durch Druck in Form von Besetzungen entstanden.
Alle Bemühungen in juristischer Weise unzweifelhaft legalen Formen sind so gut wie im Sande verlaufen. Unzweifelhaft, weil ziviler Ungehorsam für uns keine Straftat darstellt. Es gibt PolitikerInnen, Menschen aus der Stadtverwaltung, BürgerInnen, Vereine, Kirchen, JournalistInnen, HausbesitzerInnen und vielleicht auch Menschen aus der Justiz, wie sich vielleicht heute zeigen lässt, die hinter dem Gedanken stehen und ihn unterstützenswert finden. Aus den in Osnabrück regierenden Parteien - im Speziellen aus der CDU- sind die politisch Verantwortlichen noch nicht einmal bereit, uns keine Steine in den Weg zu schmeißen, geschweige denn einen Dialog mit uns zu führen.
Es ist also eine Frage der Macht:
Auf der einen Seite steht die CDU mit ihrer Ignoranz, und auf der anderen Seite wir, die wir versuchen auf verschiedenen Wegen des sozialen Engagements ein Anliegen von vielen Menschen in die Öffentlichkeit zu tragen und Chancen zum Beweisen suchen, bzw. gesucht haben.
Fazit:
Es ist nun heute hier leider eine Sache der Justiz geworden, darüber zu entscheiden, ob das gesellschaftliche Interesse höher liegt, bzw. in diesem einem Falle lag, eine soziale, kulturelle, unkommerzielle Begegnungsstätte zu ermöglichen, oder das Interesse des Staates Hausfriedensbruch zu verfolgen. Hausfriedensbruch ohne Benachteiligte und ohne Schaden, denn wir haben in keiner Weise irgendeinen Betrieb oder Menschen in ihrem Handeln gestört. Dieses Haus steht bis jetzt immer noch leer, genauso wie es vorher leer stand. Es ist leider ein Fall für die Justiz geworden, wir sehen hier nämlich eigentlich nicht den Konflikt mit der Justiz, sondern den Konflikt mit denen, die versuchen die Selbstverwaltung zu unterbinden.