Newsletter vom 19.12.2003 , 09:53
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Titel: erstes Treffen gegen Naziaufmarsch fand statt
Nächstes Treffen: Montag, 12. Januar, 19 Uhr, DGB-Haus

Beim ersten Treffen gegen den Naziaufmarsch am 28. Februar waren eine ganze Reihe Leute und Organisationen da, so daß schon mal einiges an Ideen gesammelt werden konnte, wie wir uns alle gegen ein öffentliches Auftreten von Nazis in Osnabrück „quer stellen“ können.
Zunächst wurden Informationen zum Stand der Dinge ausgetauscht.
Eine Anmeldung der NPD für den Aufmarsch am 28. Februar 04 liegt mittlerweile vor. Der Aufmarsch ist unter dem Titel „Heimreise statt Einwanderung, denn deutsche Kinder braucht das Land“ angekündigt. Er ist Teil einer Kampagne der NPD-Niedersachsen, die in verschiedenen Städten unter dem selben Motto Aufmärsche angemeldet und auch schon durchgeführt hat. Osnabrück wird die nächste Stadt in der Reihe sein, danach folgt Wilhelmshaven. Für den Aufmarsch in Osnabrück werben die Nazis bis weit hinein nach Nordrheinwestfalen, und nicht nur innerhalb der NPD, sondern auch innerhalb der „Freien Kameradschaften“.
Eine Genehmigung wurde noch nicht erteilt. Laut Auskunft der Polizei hat die NPD eine Demonstration mit 300 Teilnehmern und Abschlusskundgebung angemeldet. Polizei und Ordnungsamt werden sich mit den Anmeldern zu einem Vorgespräch treffen. In der letzten Verwaltungsausschußsitzung wurde das Thema angesprochen und zumindest geschlossen die „Mißbilligung“ gegenüber dem Aufmarsch ausgesprochen. Auch ein Verbot wurde diskutiert, die Entscheidung darüber aber vertagt, weil die Stadt bei einem Verbot mit einer Klage zu rechnen hat und davon auszugehen ist, daß sie gerichtlich unterliegen wird.
Auf dem Treffen waren sich alle einig darüber, daß schon im Vorfeld des Aufmarsches einiges laufen muß, um den Auftritt der Nazis möglichst zu verhindern.
Eine erste Idee, die in den nächsten Tagen umgesetzt wird, ist, im Vorfeld den Nazis den Raum in Osnabrück zu nehmen. So werden an verschiedenen Stellen in Osnabrück Kundgebungen gegen Rechtsextremismus und Rassismus angemeldet (Nikolaiort, Ledenhof, Hauptbahnhof, Ebertplatz, Eberleplatz, Rosenplatz).
Für den Tag selber wurde angedacht, eine große Veranstaltung mit Demonstration durchzuführen. Wie das genau aussehen soll, wird beim nächsten Treffen besprochen.
Öffentlichkeitsarbeit wird bei der Mobilisierung eine große Rolle spielen. Jede Gruppe für sich überlegt, was sie für Veranstaltungen durchführen wird und kann.
Darüber hinaus wird angestrebt, das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Stadtratssitzung Anfang Februar zu bringen. Wenn sich der Stadtrat gegen den Aufmarsch ausspricht, hätte das eine große öffentlichkeitswirksame und mobilisierende Wirkung. Das zeigt auch die Erfahrung aus anderen Städten. Anfang nächsten Jahres wird auch eine intensive Pressearbeit einsetzen, mit Pressemitteilungen und LeserInnenbriefen.
Termin für das nächste Treffen des Bündnisses:
Montag, 12. Januar, 19 Uhr im Haus des DGB, neben dem Bahnhof.

Es folgt nun ein Text von Avanti!, den wir erarbeitet haben, um auf der Ebene der Gesetzgebung ein Verbot des Aufmarsches diskutieren zu können:

Argumentationshilfe:

Es bleibt eine politische Frage, ob ein Naziaufmarsch zugelassen darf oder nicht!

Rechtsextreme können immer wieder Aufmärsche anmelden, weil sie dafür die „Nationaldemokratische Partei Deutschland“ (NPD) benutzen. Diese Partei ist nach wie vor legal und hat deshalb das „Recht“, Aufmärsche anzumelden. Das Verbotsverfahren gegen die Partei ist gescheitert, jedoch letztendlich nicht wegen Inhalten, sondern wegen einer Pannenserie im Verfahren.
Doch auch wenn die Nazis immer wieder juristisch Recht bekommen, ihre menschenverachtende Politik auf die Straße bringen zu dürfen, bleibt es eine politische Frage, ob eine Stadt sich das bieten lassen möchte.
Von ihrem rechtsstaatlichen Selbstverständnis her, darf unsere Demokratie einen Aufmarsch von Nazis nicht zulassen.
Nazis sind nicht nur eine politisch mißliebige Minderheit, denen laut Grundgesetz Versammlungs- und Meinungsfreiheit zugestanden werden muß. Die Ideologie der Nazis ist eine Anschauung, der das Grundgesetz eine entschiedene Absage erteilt hat. Denn das Grundgesetz wurde geschaffen als Antwort auf die Beseitigung der Weimarer Demokratie durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft. Das Grundgesetz schützt zwar auch politisch missliebige Meinungen (Art 5 GG). Bei dem Gedankengut von Nazis geht es aber nicht um irgendeine „politisch missliebige Meinung“, vielmehr sind Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Ausländerfeindlichkeit als Kernpunkte faschistischer Ideologie solche, die mit den grundgesetzlichen Wertvorstellungen unvereinbar sind. Diese Kernpunkte faschistischer Ideologie werden als missliebige Meinung bagatellisiert, wenn den Nazis ein Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zugestanden wird. Von zentraler Bedeutung ist dabei neben der grundgesetzlich konstituierten Friedenspflicht (Art. 1 Abs. 2,24 Abs 2 und 26 Abs. 1 GG) der die gesamte Rechtsordnung prägende Aspekt der Menschenwürde (Art. 1 Abs 1 GG). Angesichts dieser Verfassungswerte gewinnt die Tatsache, daß vor dem Hintergrund der jüngeren deutschen Geschichte durch das öffentliche Auftreten von Nazis und das Verbreiten entsprechenden Gedankenguts grundlegende soziale und ethische Anschauungen einer Vielzahl von Menschen – zumal der in Deutschland lebenden ausländischen und jüdischen BürgerInnen – in erheblicher Weise verletzt werden, besonderes Gewicht.
Der Ausschluß von faschistischem Gedankengut aus dem demokratischen Willensbildungsprozeß ist ein aus der historisch bedingten Werteordnung des Grundgesetzes ableitbarer Verfassungsbelang, der es rechtfertigt, die Freiheit der Meinungsäußerung, bezogen und beschränkt auf dieses Gedankengut, inhaltlich zu begrenzen.
Deshalb ist die Auffassung, es gäbe keine Handhabe gegen die öffentlichen Auftritte der Nazis, mit der diese dann zugelassen werden auch nach den Gesetzen dieses Staates zu leichtfertig.
Bei der Auslegung des Grundrechts der Demonstrationsfreiheit (Art. 5 Abs 1,8 Abs 1 GG) ist dieser verfassungsimmanenten Beschränkung auch unterhalb der Schwelle strafrechtlicher und verfassungsgerichtlicher Verbots- und Verwirkungsentscheidungen Rechnung zu tragen, so daß Versammlungen, die durch ein Bekenntnis zum Nationalsozialismus geprägt sind, wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung gemäß § 15 Abs 1 der Versammlungsgesetzes verboten werden können.
In einem speziellen Fall folgt auch das Bundesverfassungsgericht dieser Argumentation. Es verbietet Auftritte von Nazis am Holocaust-Gedenktag. Die Begründung lautet, daß es unmittelbar einleuchte und verfassungsrechtlich tragbar sei, wenn die Versammlungsbehörde der Durchführung eines Aufzugs durch Personen aus dem Umfeld der rechtsextremen Kameradschaften an diesem Gedenktag eine Provokationswirkung zumesse und dies als Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfindens der Bürgerinnen und Bürger bewerte. Das heißt: das BVerfG nimmt Rechtsextreme als Nazis wahr, stellt im Widerspruch zu seiner sonstigen Rechtssprechung auf deren demonstrativ propagierten faschistischen Ideologie ab und bewertet diese Ideologie als eine versammlungsrechtlich abzuwehrende Gefahr für die öffentliche Ordnung. Damit hebt es die von Behörden und Gerichten geforderte „Meinungsneutralität“ des Versammlungsrechts kurzerhand auf.
Warum gilt der Zugriff auf die faschistische Ideologie nur am Holocaust-Gedenktag? Warum besteht nur an diesem Tag die unmittelbar einleuchtende Gefahr einer erheblichen Beeinträchtigung des sittlichen Empfinden der BürgerInnen? Inwiefern lässt sich nicht auch außerhalb dieses Gedenktages eine verfassungsrechtlich beachtliche Kollision mit der öffentlichen Ordnung bejahen?
Das Grundgesetz gebietet in Art. 21 Abs 2 das Verbot verfassungswidriger Parteien - als Ausdruck einer „wehrhaften und streitbaren Demokratie“. Diese Vorkehrungen sind jedoch weder geeignet noch dazu bestimmt, das öffentliche Auftreten von Nazis und die damit verbundenen Verletzungen grundlegender sozialer und ethischer Anschauungen einer Vielzahl von Menschen zu verhindern. Insoweit einschlägig ist vielmehr die spezielle Regelung des Art. 8 Abs 2 GG, in welcher der Verfassungsgeber den einfachen Gesetzgeber ausdrücklich ermächtigt hat, die Versammlungsfreiheit zu beschränken. Dies ist in § 15 VersG geschehen. Die dort für den Fall einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Ordnung getroffene Verbotsregelung ist ebenfalls Ausdruck einer wehrhaften Demokratie. Diesen Aspekt gilt es in einer Weise zu aktualisieren, die der Verfassungswirklichkeit Rechnung trägt.
Wird Nazis ein öffentliches Auftreten gewährt, dann wird das Wiedererstarken des Rechtsextremismus ignoriert. Rechtsextremismus wird verharmlost und bagatellisiert, wenn Nazis unkommentiert dem Kreis beliebiger „Minderheiten“ zugeordnet werden und deren Programmatik undifferenziert in eine Reihe gestellt wird mit anderen am Prozeß der demokratischen Willensbildung teilnehmenden politisch unerwünschten missliebigen Meinungen.